Arbeitsminister Hubertus Heil erklärte vor ein paar Tagen, Deutschland hätte in Kürze das modernste Einwanderungsgesetz in Europa. Da horcht man erstaunt auf, hatte man doch bisher angenommen, wir hinken ziemlich hinterher. Aber so ist das eben, wenn du beim 5000-Meter-Lauf Letzter bist und in der finalen Runde den Turbo reinhaust und das ganze Feld aufrollst - was, wie wir aus Erfahrung wissen, noch nie passiert ist. Da kannst du vorher verkünden, was du willst.
Heils Versprechen aber erinnerte mich an andere superlative Verheißungen: Wir würden, so hörten wir, Digital-Weltmeister, würden bald das modernste Bildungssystem der Welt besitzen und in der Künstlichen Intelligenz, der Industrie 4.0., der Robotic und bei der Biotechnologie sowieso global führend werden. Die Berliner Rhetorikschleuder wirft solche vulkanösen Versprechen ja im Tagestakt aus - während die Realität ganz unten nur aufgegebene Arztpraxen, sündhaft teure Butter, geschlossene Schwimmbäder, marode Straßenzüge und Kindergärten ohne Kindergärtnerinnen produziert.
Mit der Zeitenwende-Rhetorik, die es nun auch zum Wort des Jahres geschafft hat, sehen wir nun das Sahnehäubchen auf dieser Superlativ-Rhetorik: Sicher, was wir erleben, mag ein Einschnitt sein, eine Zäsur. Eine Zeitenwende entsteht indes nicht dadurch, dass man sie ausruft. Sie wird überhaupt erst in der Rückschau von vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten möglich - wie uns die epochalen Übergänge zu Renaissance, Romantik oder Aufklärung gezeigtt haben. Es täte uns allen gut, wenn wir rhetorisch etwas abrüsten und uns eine gewisse Demut zulegen, wenn wir mit solchen Superlativen hantieren.
Politiker dürfen gerne mit gutem Beispiel vorangehen und sich einen etwas nüchterneren Stil zulegen, selbst wenn es allzu verlockend ist, in Talkshows und Interviews die Minister-Kollegen in Absichts-Posaunierung zu übertrumpfen. Das Schöne daran ist: Es kostet ja nichts - und ein Schuldiger wird schon gefunden werden, falls es mit der superlativen Absicht dann doch nicht klappt.
Ihr/Euer Zukunftsanalytiker
Klaus-Ulrich
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