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"Kommen alle Hunde in den Himmel?"


Corona produziert viele Mythen, Verschwörungstheorien, direkte Lügen und unsichere wissenschaftliche Erkenntnisse. Man hätte erwarten dürfen, dass eine solche Pandemie auch jede Menge religiös durchwebter Überzeugungen beflügelt: Dass das Virus eine Strafe Gottes, die Menschheit sowieso dem Untergang geweiht und alles nur möglich sei, weil die Menschen Gottes Geboten zur Keuschheit, Reinheit und gesittetem Leben nicht mehr folgen. Offenbar ziehen sich Menschen, die das glauben, in ihre eigenen Echoräume zurück, denn solche Töne sind öffentlich selten zu hören. Ihre Zahl dürfte trotzdem in die hunderttausende gehen allein in Deutschland - rund ein Drittel der Bücher, die sich in der Deutschen Nationalbibliothek unter dem Stichwort "Zeitgeist" finden, sind diesem Genre zuzuordnen. Evangelische wie Katholische Kirche haben alle Mühe, gegen solches Denken an zu argumentieren. Zumindest dringen sie medial nicht durch. Immerhin wäre es ein passender Moment, Menschen Hoffnung und Optimismus zu geben, und man würde sich bisweilen eine ausgewogene starke und glaubwürdige kirchliche Stimme wünschen. Eine schöne Ausnahme fand ich das Sommerinterview der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck mit Bischöfin Dr. Beate Hofmann.

DER MENSCH WIRD KLEINER, NICHT GRÖSSER

Der Glaube an die Strafe Gottes knüpft ja nahtlos an mittelalterliche Gedanken an, die durch die Pandemie befeuert werden: Das weltweite Virus macht den Menschen - wie im mittelalterlichen Glauben - kleiner, es reduziert ihn auf einen äußerst verletztlichen Teil der Natur. Wir leben, so gesehen, auf einer Stufe mit Biene und Ameise. Wir schrumpfen mental, während wir - und hier spaltet sich unser Denken - wirtschaftlich, ökonomisch, gesellschaftlich fast ausschließlich auf Wachstum ausgelegt sind. Dieser Widerspruch macht uns zu schaffen. Keine Angst: Dies hier wird keine Predigt, es ist nur eine Überlegung, wie eigentlich die nächste große Erzählung zur Rolle des Menschen in der Welt aussieht? Alle alten Erzählungen sind in sich zusammen gebrochen: Dass die Sonne sich nicht um die Erde dreht, war die erste große "Erniedrigung" des Menschen. Dass er in der Industrialisierung durch Maschinen ersetzt wurde, die zweite. Dass sich, seit Anfang des Jahrhunderts, die Erkenntnis durchsetzt, dass Roboter wohl bald klüger sind als der Mensch, die dritte. Und mit dem Klimawandel ist - viertens - die Aufgabe des Menschen, sich die Erde untertan zu machen, auch nicht mehr so der richtige Renner. Bei so viel Erniedrigung und wenig Hoffnung, wieder im Mittelpunkt der Welt zu stehen, ist es kein Wunder, dass wir uns ständig individuell selbst optimieren müssen - wenn wir schon als Gattung nix mehr taugen.

KOMMEN ALLE HUNDE IN DEN HIMMEL? Was ist die nächste große Erzählung? Im Transhumanismus entwickelt sich seit einigen Jahren die Idee des Menschen als technologisch aufgerüstete Entität, die ein neues Bewusstsein erreicht. Die Visionen des Silicon Valley sehen den Menschen im absoluten Glückszustand, weil Krankheit, Seuchen, Ungerechtigkeit und eventuell sogar der Tod abgeschafft wurden. Dass die Technologie und nicht Moral, Ethik und Philosophie, auch nicht Kirchen, Schulen oder familiäre Umfelder die neue Sinnsuche treiben, ist für mich ein erstaunliches Phänomen. Und dass jetzt die Künstliche Intelligenz schon nach der Sinnfrage suchen muss, weil wir Menschen es offenbar nicht schaffen, ist schon fast beschämend. In Vancouver in den USA wurde eine "Philosophische KI" entwickelt, die die Frage nach dem Leben sehr tiefsinnig beantwortet: "The only true purpose of anything is to serve as a cause for the next thing". Und die Frage, ob alle Hunde in den Himmel kommen, beantwortet die KI damit, dass es einen Himmel als vorstellbaren Raum nicht gibt.

In diesen Zeiten, denen es an einer großen Utopie der Gattung Mensch mangelt - was viele Unsicherheiten und Ängste erklärt -, sollte wir doch zumindest in der Lage sein, die Frage, was wir hier auf der Erde zu suchen haben, selbst beantworten und nicht auch diese Frage der Künstlichen Intelligenz überlassen. Denn wenn wir nicht aufpassen, halten wir bald die Antworten der Künstlichen Intelligenz für intelligenter als unsere eigenen.

Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall ein gesundes, vernünftiges und mutgetriebenes Denken. Und den Mut, meinen Newsletter unter www.top-global-speaking.com zu abonnieren--:)))


Ihr/Euer Dr. Klaus-Ulrich Moeller

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