Optimismus - eine gefährliche Tugend
Optimismus gehört, so haben wir es gelernt, zur "Pflicht"-DNA jedes Unternehmens: Der unverbrüchliche Glaube, dass die Zukunft gut wird, das gestartete IT-Projekt erfolgreich, der jüngste Zukauf ein Moonshot, das soeben andockende startup eine Granate. Etwas anderes kann sich ein Vorstand auch gar nicht erlauben: Wie würde es ankommen, wenn der CEO beim Börsengang erklären würde, er habe ja deutliche Zweifel, aber....
Optimismus treibt die Zukunft, scheint Grundlage jeden Vorankommens - und blockiert doch - öfter als wir denken - notwendige Veränderung. Wenn er sich nämlich darauf fokussiert, dass alles schon wieder so wird wie es mal war.
Der Besitzer eines kleines Skiliftes hier im Nordschwarzwald, gebeutelt durch zwei warme, fast schneelose Winter, zeigte sich in einem Artikel der Lokalpresse kürzlich dennoch "optimistisch": Die Schneelage der vergangenen zehn Jahre werde schon wiederkommen, die Klimaerwärmung weniger dramatisch ausfallen. Seinen Skilift werde er bis zum letzten Liftbügel verteidigen. Dem Mann ist alles Gute zu wünschen, aber es ist ein Optimismus in die Vergangenheit, die die Realität leugnet. Ein Optimismus, der spontan darauf vertraut, dass es "schon nicht so schlimm kommen wird", dass "es wird wie früher". Dass Kunden doch wieder in Buchläden strömen, dass mein Geschäftsmodell doch länger hält als alle Zukunftsforscher mir das vorhersagen.
Nennen wir das naiven Optimismus? Rückwärts gewandten Optimismus? Reaktiven Optimismus? Ist, so muss gefragt werden, Optimismus überhaupt noch gerechtfertigt in so volatilen Zeiten, wo wir wenig wissen, aber viel entscheiden müssen? Optimismus kann sehr schnell zur verklausierten Formel dafür werden, dass ich mich jedem Wandel widersetze. Müssen wir also den Optimismus nicht viel besser austarieren, ihn mit Zweifel, auch etwas Skepsis umranken? Dürfen wir es riskieren, unser Unternehmen mit einem überholten "Optimismus" im Zweifel gegen die Wand zu fahren? Ist Optimismus noch die richtige Einstellung zur Zukunft?
Oder ist "Skoptimismus" die richtige Einstellung, das neue Wort, das beschreibt, wie wir Skepsis mit Wagemut, Zweifel mit Hoffnung und Unsicherheit mit Klarheit verbinden? Ich empfehle hier geradeheraus und unverschämterweise mein Buch aus dem letzten Herbst "Der Skoptimist - Gedankensplitter zur unfertigen Zukunft", in dem ich genau diese neue Denkhaltung beschreibe.
Mehr denn je spüre ich, dass der Begriff Optimismus gerade genauso schnell verbrennt wie die Begriffe "Reform" oder "Unternehmertum" - mein Optimismus in die Dinge ist schon seit vielen Jahren zum "Skoptimismus" mutiert, der mir viel klügere Gedanken erlaubt als die simple Hoffnung, dass schon alles wird wie früher - und sei es nur ein schneereicher Winter.
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