Reden wir uns die Welt kaputt? - Neue Regeln für die digitale Zeit.
Warum werden wir den Eindruck eigentlich nicht los, täglich in einer tosenden Flutwelle von Skandalen zu ertrinken, die gnadenlos und neu über uns hereinbricht? Einer Flutwelle, die alte Aufreger unter sich begräbt und mit nicht endender Kraft neue obendrauf schaufelt? All das in einer hyperventilierenden Athmosphäre, die für ruhigere Betrachtung uns keinerlei Zeit mehr belässt. Guttenberg, ADAC, Uli Hoeness, Zumwinkel, ZDF - alles gerade mal 3-4 Jahre her, so gut wie vergessen. Angeblich postfaktisch alles, durchsetzt mit FakeNews, transportiert von einer global gesteuerten Lügenpresse. Eine Gemengelage, in der nicht nur die eigene Übersicht verloren geht, sondern auch Rhetorik und Kommunikation offenbar schwer unter die Räder kommen. Eine vernünftige Befassung, ein sinnvoller Diskurs scheint in dieser Themen- und Meinungs-Explosion so gut wie unmöglich geworden zu sein. Kommunikation und Rhetorik, lange als Grundfähigkeiten gepriesen, um Konflikte auszuräumen, sich auf dieser Welt vernünftig zu verständigen, gemeinsame Lösungen zu finden und das bessere Argument entscheiden zu lassen, zeigen plötzlich ihre unschönen Seiten: Je mehr wir über eine Sache reden, desto schwieriger wird sie. Je mehr kommuniziert wird, desto komplexer wird das Problem. Je stärker die öffentliche Aufmerksamkeit, desto schwieriger eine Lösung. Sprachliche Kompetenz wird als Verdrehungstechnik verunglimpft und als Kampfwaffe missbraucht. Rhetorik und Kommunikation mutieren plötzlich - statt hilfreich zu sein - zu den größten Problem-Verursachern in der global völlig vernetzten Welt, in der jeder sich äußern, jeder seine Meinung mitteilen, jeder seinen inneren Gedankenmüll in jeden erreichbaren Meinungs-Ozean kippen darf. Reden, kommunizieren uns wir uns vielleicht diese Welt kaputt? Spalten wir sie durch unsere Rhetorik? Reden wir all die Skandale und Konflikte und Schnappatmungs-Momente nur künstlich herbei, ohne darauf zu achten, wie wir sie wieder aus Welt schaffen können? Und läuft uns die öffentliche Kommunikation völlig sogar völlig aus dem Ruder? Ich befürchte fast, dass es so ist. Die völlige Demokratisierung der öffentlichen Meinungsbildung, die ungesteuerte Verbreitung jeder individuellen Meinungsäußerung, die Masse an Impulsen, die wir verarbeiten sollen, führen zumindest derzeit in einen Zustand, der mit Chaos noch milde umschrieben ist. Wer steuert gegen: Facebook und Google sicher nicht. Die Medien selber? Zweifelhaft. Die Politik mit neuen Regeln? Da seien Dobrindt und die Inkompetenz aller Digital-Verwalter vor. Vielleicht wir selber? Jeder Prozess braucht Regeln. Auch der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung braucht Regeln. Offenbar sind uns diese zur Zeit abhanden gekommen. Der klassische Weg, dass Meinungsbildung über die Parteien funktioniert, parlamentarisch organisiert, begleitet von einer neutralen Presse als Vierter Gewalt und dem Souverän "Volk", das alle vier Jahre abstimmen darf - diese Grundidee unserer Demokratie ist von der Wirklichkeit längst überholt. Was wir dringend brauchen, sind neue geregeltere Prozesse der öffentlichen Meinungsbildung als wir sie heute täglich erleben. In einen solchen Prozess müssen einfliessen die Rolle der weltweiten sozialen Netzwerke ("Darf ich über Facebook bei der Wahl abstimmen?"), die Einbeziehung aller Menschen in alles ("Zählt eigentlich jede Meinung gleichviel? Oder spielen Bildung, Kompetenz und Wissen doch noch eine Rolle?"), und die Frage, wie eigentlich die neuen meinungsbildenden Eliten aussehen, die dem Wandel der Gesellschaft Rechnung tragen. Nicht jeder führende Banker muss mehr dazugehören, nicht jeder Amtsträger, dem bisher andachtsvoll zugehört wurde, nicht jeder CEO eines angeblich führenden Unternehmens, der mit seiner plastilinartigen Sprache aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Die Suche nach der neuen Meinungs-Elite hat gerade erst begonnen. Ebenso wie die Suche nach Prozessen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung im digital-globalen Zeitalter. Auch unser Weltall ist aus einer chaotischen Ur-Suppe entstanden - und es hat sich, Milliarden Jahre später, irgendwie doch etwas ganz Vernünftiges daraus entwickelt. Ich hoffe, dass es diesemal schneller geht. Und füge an: Die "Academy for Top Strategic Speaking" ist genau aus dieser Idee heraus erwachsen, Sie möchte sich genau auf diese Fragen konzentrieren, die ich in diesem Blog angestoßen habe. Ich lade Sie ganz herzlich ein, Mitglied zu werden und diesen wichtigen Prozess mit zu begleiten.
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